Was ist eigentlich dieses Metaverse

Im Sommer 2021 eröffnete Mark Zuckerberg der Weltgemeinschaft, dass Facebook sich in Zukunft verstärkt der Entwicklung eines Metaverse zuwenden würde, und benannte sein Unternehmen kurzerhand sogar in „Meta“ um. Seitdem ist es medial einigermaßen still geworden um das Metaverse aus dem (ehemaligen) Hause Facebook. Aber es gibt eben nicht nur ein Metaverse. Die Entwicklung der Technologie wird auch ohne die ganz große Medienaufmerksamkeit stetig vorangetrieben. Wie die meisten Neuentwicklungen erreicht auch sie die Baubranche und schickt sich an, diese revolutionär zu verändern. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, muss man sich zunächst vor Augen führen, was das Metaverse – jenseits eines Buzzwords in Meldungen aus dem Silicon Valley – eigentlich ist. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um nichts weiter als ein eigenes, digitales Universum. Es entsteht durch das Zusammenwirken virtueller (virtual reality oder VR), erweiterter (augmented reality oder AR) und physischer Realität. Dabei verwischen die Grenzen dieser drei Realitäten, sodass schließlich nur noch eine einzige wahrgenommen wird.

Doch was hat das mit der Baubranche zu tun? Immer weiter verbreitet ist inzwischen die Verwendung des sogenannten Building Information Modeling (BIM), bei dem alle relevanten Daten eines Bauvorhabens erfasst und zu einem digitalen Modell kombiniert werden. Auf diese Weise entsteht frühzeitig ein realitätsnahes und dreidimensionales Abbild des fertiggestellten Bauvorhabens. Doch auch die BIM-Technologie gelangt an Grenzen, denn sie liefert eben „nur“ ein 3D- Modell.

Georg Willem Büchler

Georg Willem Büchler studierte Jura und Wirtschaftswissenschaften in Bayreuth. Er ist Partner der Kanzlei Schlatter und berät als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Bauunternehmen und Bauträger sowie Architekten und Ingenieure in allen Rechtsfragen rund um die Immobilie. Die Beratung von Bauherren und das gewerbliche Mietrecht bilden weitere Beratungsschwerpunkte. Als „digital native“ ist er regelmäßig auch im IT-Recht tätig.

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Wer behält den Durchblick? Im Metaverse treffen virtuelle, erweiterte und physische Realität aufeinander

Vor-Ort-Termin im Metaverse

Die soeben aufgezeigte Grenze übertritt, wer seine Vor-Ort-Termine ins Metaverse verlegt. Nicht nur das modellierte Bauvorhaben, sondern auch seine Umgebung können dort hautnah und dreidimensional dargestellt und wahrgenommen werden. Sie existieren dann nicht nur in unserer Fantasie vor unseren inneren, sondern mittels VR-Brille vor unseren tatsächlichen Augen. Lange vor dem ersten tatsächlichen Spatenstich erlaubt das Metaverse die Durchführung virtueller Begehungen des fertigen Bauvorhabens. Dabei können die Teilnehmer der virtuellen Begehung über die sieben Kontinente verteilt sein. Ihre Avatare hindert das nicht, sich im Metaverse auf der Baustelle zu treffen. 

Auf diese Weise bietet das Metaverse eine Plattform für nahtlose Zusammenarbeit und Kommunikation. Virtuelle Meetings und gemeinsame Arbeitsumgebungen ermöglichen den ständigen Austausch von Informationen und Ideen. Dabei können Änderungen in Echtzeit vorgeschlagen und für alle sichtbar gemacht werden, was zu einer besseren Koordination führt und Entscheidungsprozesse beschleunigen kann. 

Besonders in der Planungs- und Designphase ermöglicht das Metaverse eine verbesserte Visualisierung. Architekten und Planer können im und am simulierten Modell des Bauvorhabens gemeinsam arbeiten. Die immersive Erfahrung hilft, Designfehler frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren. In der Phase der Bauausführung kann das Metaverse zur Überwachung und Optimierung der Baustellenaktivitäten genutzt werden. Bauleiter können mittels AR- und VR-Technologien virtuelle Baupläne direkt auf die physische Baustelle projizieren. Dies ermöglicht eine präzisere Ausführung und reduziert das Risiko von Fehlern. Arbeiter können zudem durch virtuelle Schulungen und Simulationen auf spezifische Aufgaben vorbereitet werden, was Effizienz und Sicherheit erhöht. Schließlich bietet das Metaverse auch nach der Fertigstellung eines Bauvorhabens innovative Lösungen für dessen Betrieb und Wartung. Digitale Zwillinge real existierender Gebäude können genutzt werden, um ihren Zustand in Echtzeit zu überwachen. Wartungstechniker können durch AR-Anwendungen Zugang zu verborgenen Strukturen wie Leitungen und Kabeln erhalten. Die Möglichkeiten sind endlos.

Ist das auch rechtens?

An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der rechtlichen Einordnung des Metaverse. Wie so oft sind es nicht nur die Menschen, die sich auf eine neue Technologie einstellen müssen, sondern auch das Recht. Wieso oft stellt sich die Frage, ob sich die bestehenden Regeln übertragen lassen oder sie einer Ergänzung bedürfen und wie so oft ist zunächst noch vieles im Unklaren. Ein paar dieser „Problemfelder“ sollen im Folgenden beleuchtet werden.

Der Avatar als Zurechnungsobjekt und digitale Identität ×

Da wäre zunächst der Umgang mit dem Avatar, dem im Metaverse eine zentrale Rolle zukommt. Er ist die digitale Identität, durch die der jeweilige Nutzer – vergleichbar mit einem Computerspiel in Egoperspektive – im Metaverse auftritt und agiert. Klar dürfte sein, dass handelsrechtliche Pflichten zur korrekten Firmierung einer Gesellschaft auch für ihren Metaverse-Avatar gelten. Doch was gilt darüber hinaus? Welche Abwehrmöglichkeiten stehen zur Verfügung, wenn Dritte eine Metaverse-Identität kopieren, um mit dem virtuellen Zwilling Missbrauch zu betreiben? Eine Pflicht zur Verwendung von Klarnamen ließe sich derzeit nicht einführen. Schließlich hat der Gesetzgeber die Anbieter digitaler Dienste erst 2021 verpflichtet, ihre Nutzung unter der Verwendung von Pseudonymen oder anonym zu ermöglichen.

Datenschutz ×

Auch die datenschutzrechtliche Lage des Metaverse verdient Beachtung. Sie ist deutlich komplizierter als im „normalen“ Internet, wo der digitale Austausch personenbezogener Daten heutzutage regelmäßig in Eins-zu-Eins-Beziehungen stattfindet, beispielsweise zwischen Webseitenbetreiber und -besucher. Eine Weitergabe von Daten an Dritte erfolgt nur nach vorheriger Einwilligung – wir alle kennen die bisweilen nervtötenden Cookie-Anfragen. Treffen sich Baubeteiligte aber auf der Metaverse-Baustelle, erhalten womöglich auch Dritte, die durch dasselbe Metaverse „schlendern“, Zugriff auf unterschiedliche personenbezogene Daten. Es kommt typischerweise zu einer Eins-zu-X-Beziehung, einer neuen Besonderheit, der auch regulatorisch Rechnung getragen werden muss. 

Geistiges Eigentum ×

Der Schutz der Urheberrechte und des geistigen Eigentums spielen im Metaverse eine große Rolle. Anders als in der realen Welt lassen sich Werke beispielsweise von vornherein technisch so konzipieren, dass bei jeder weiteren Nutzung oder Veräußerung ein Anteil an den Urheber fließt. Das Schutzniveau ist an dieser Stelle höher als in der realen Welt. Daneben stellt sich die Frage, wie Marken oder Patente vor Nachahmung geschützt werden können. Erste Unternehmen verkaufen virtuelle Bekleidung für Metaverse-Avatare und haben zum Schutz dieser Produkte Marken angemeldet. Die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet darf mit Spannung verfolgt werden. 

Strafrecht und Hausrecht ×

Interessant ist auch die Frage, welche Konsequenzen Fehlverhalten im Metaverse nach sich zieht. Ist deutsches Strafrecht schon dann anwendbar, wenn ein strafbarer Inhalt im Metaverse aus Deutschland abruf- und wahrnehmbar ist? Hat der virtuelle Grundstückseigentümer ein Hausrecht? Bejaht man eine oder beide der vorstehenden Fragen, stellen sich auch schon die nächsten. Mit welchen Zwangsmaßnahmen wird im Zweifel sichergestellt, dass das Recht auch durchgesetzt wird? Muss es eine Metaverse-Polizei geben? Sind die Gesetzgeber der realen Welt zum Schutz ihrer Bürger in der virtuellen Welt aufgefordert, ihre Gesetze anzupassen, oder wird die Regulation des Metaverse dem jeweiligen (privaten) Betreiber überlassen? Jenseits dieser Vielzahl an Fragen bleibt jedenfalls die Erkenntnis, dass sich im Metaverse einerseits praktische Probleme bei der Rechtsverfolgung und -durchsetzung ergeben können. Auf der anderen Seite eröffnen sich aber neue Formen der Beweisbarkeit, die beides wiederum erleichtern.

Ausblick

Trotz der derzeit bestehenden rechtlichen Unsicherheiten und Herausforderungen bietet das Metaverse enorme Potenziale und wird die Art und Weise, wie wir bauen und zusammenarbeiten, revolutionieren. Die Technologie ermöglicht innovative Methoden zur Planung, Gestaltung, Überwachung und Wartung von Bauvorhaben und ist damit zu attraktiv, als dass die Baubranche in Zukunft auf seine Nutzung verzichten könnte.