Digitalisierung und Innovationskultur in der Kleinserienfertigung
Mit Bernd Hausler von ifm
Die Fabrik von heute ist im Wandel. Doch wohin gehen die Transformationsprozesse? Tobias Herwig, Business Unit Manager Factory Design bei io, bringt Licht ins Dunkel: Auf seinem Podcast FabrikDerZukunft.com spürt er cleveren Konzepten, smarten Technologien und kühnen Ideen nach, die die Produktionsbedingungen von morgen prägen. Seit Februar 2021 unterhält er sich wöchentlich mit Werkleitern, Fabrikplanern, Produktionsmanagern und anderen spannenden Persönlichkeiten. Er diskutiert mit ihnen über Zukunftsvisionen, Best Practises und den Mut, den es braucht, um die industrielle Revolution zu meistern.
Das Familienunternehmen ifm hat etwa 8.300 Mitarbeiter, fünf Werke in Deutschland und vier Werke im Ausland. Seine Produktion zeichnet sich dadurch aus, dass es viele verschiedene Fertigungslinien mit verschiedensten Varianten gibt. Bernd, ihr habt den Preis für die beste Fabrik gewonnen – gratuliere! Wie muss man als Organisation aufgestellt sein, um Innovationsvorreiter zu sein?
Man benötigt top motivierte Leute, denen man ein Spielfeld zur Verfügung stellt, das entsprechend ausgestattet ist. Man muss der Kreativität der Mitarbeiter freien Lauf lassen. Und dann sind solche Erfolge möglich. Wir haben entsprechende Leuchttürme gesetzt und ein adäquates Budget zur Verfügung gestellt, um die Ideen der Mitarbeiter austesten zu können.
Hast du ein Beispiel für eine Idee im Bereich der Automatisierung, die von den Mitarbeitern kam und die dann umgesetzt wurde?
Nun gibt es den Podcast auch zum Nachlesen. Hier in Folge #051 unterhält sich Tobias Herwig mit Bernd Hausler, General Manager und Managing Director bei der ifm und verantwortlich für drei Werke. Er berichtet im Gespräch über seine Erfahrungen mit Leadership und Industrie 4.0 in der Produktion.
Ganz konkret ging es bei uns um eine Maschine, die manuell betrieben wurde. Ein Meister und ein Ingenieur kamen auf mich zu und fragten, ob ich ihnen für einen Roboter Geld zur Verfügung stellen würde. Die Jungs haben diesen Roboter selbstständig an die Maschine appliziert und von einer manuellen zu einer automatisierten Maschine entwickelt. Natürlich hat man das honoriert. Aber die Initialzündung bestand zunächst darin, ihnen den Roboter zur Verfügung zu stellen. Sie haben mir die Idee skizziert und erklärt – und danach konnte man die Kosten überschlagen. Wir rechnen dann grob einen Return on Investment aus. Er sollte sich im Rahmen von etwa zwei bis drei Jahren bewegen.
Wie ist es bei euch auf der Produktseite? Damit ihr die Fertigungslinien modular machen könnt, muss ja auch das Produkt modular sein.
Einer der zentralen Punkte war das Tool Design for Manufacturing. Wir haben unsere alten Produkte sauber überarbeitet, sodass wir sie effizient im Fluss produzieren können. Da hat man deutlich niedrigere Kosten, als wenn man einfach digitalisiert. Wir müssen zunächst mit diesem Tool unseren Ablauf geradeziehen und das Produkt montagegerecht designen. Da gewinnen wir so viel, dass wir entsprechende Einsparungen ausweisen können. Diese stellen dann die Vorbereitung für die zukünftige Digitalisierung.
Die Neonsonne strahlt: In der Montagehalle der ifm.
Würdest du sagen, dass Lean eine wichtige Basis für die Digitalisierung war und vielleicht auch nach wie vor ist?
Ohne Lean keine Digitalisierung. Das ist ganz klar, meiner Meinung nach. Lean schafft eine Struktur in den Unternehmensabläufen – und diese Struktur ist eine zwingende Voraussetzung für das Aufsetzen eines digitalen Prozesses. Ich brauche im Unternehmen einen klaren Materialfluss samt Regelwerk, damit ich die entsprechenden Daten erheben, auswerten und Entscheidungen daraus ableiten kann.
Wenn wir über Grundlagen für die Digitalisierung reden, sind Daten auch immer ein großes Thema. Wie tausche ich die Daten aus? Habe ich irgendeine Plattform im Hintergrund, wo ich diese Daten austauschen kann?
Ja, das ist ein zentraler Punkt der Digitalisierung. Vielfach wird er außer Acht gelassen. Ich muss ein Netzwerk schaffen, um die Daten der Maschinen und der einzelnen Arbeitsplätze in einem Datencontainer sammeln zu können. Er ist die Basis der Digitalisierung, für ihn kann ich schlecht den ROI ausweisen. Das ist nicht gerade günstig, viele vergessen das. Deswegen sage ich: Digitalisierung ist nachhaltige Effizienzsteigerung.
Einige Prozesse laufen bei euch nach wie vor noch manuell. Was hat es damit auf sich? Ist es manchmal schwieriger, sinnvolle Digitalisierungsanwendungsfälle zu schaffen, wenn nicht bereits alles automatisiert ist?
Wir stellten uns die Frage: Wie schaffe ich es, auch an einem manuellen Arbeitsplatz die gleichen qualitativen Standards eines vollautomatisierten Arbeitsplatzes zu erreichen? So entstand unsere digitale Werkassistenz. Wir haben mittlerweile eine 2D-3D-Kamera, die den Standard Work am Arbeitsplatz überprüfen kann. Mit dieser digitalen Assistenz im Gepäck ist es jetzt möglich, dass die Mitarbeiter Rüstanweisungen bekommen. Wie hat er beispielsweise den Arbeitsplatz einzurichten? Und danach wird der Ablauf überprüft. Dadurch ist es uns gelungen, die Fehlerquote massiv nach unten zu drücken. Der Vorteil unserer digitalen Werkassistenz besteht darin, dass der Mitarbeiter ganz normal im gewohnten Umfeld arbeitet. Er wird von dem System geführt und unterstützt – und empfindet es nicht als Überwachungstool, sondern wirklich als Arbeitserleichterung.
Habt ihr eine Vision, wohin ihr euch noch weiterentwickeln wollt?
Das Thema Nachhaltigkeit brennt uns aktuell auf den Nägeln. In den nächsten drei Jahren möchten wir betrachten, wie viel Energie wir für die einzelnen Produktionslinien benötigen. Wo gibt es Optimierungspotenzial? Wo habe ich die Möglichkeit, intelligente Meldungen über den Arbeitsplatz und dessen Benutzung zu bekommen? Dadurch sparen wir sicherlich keine Millionen ein. Es geht aber darum, ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Produktionsumfeld zu schaffen.
Was meinst du: Wohin geht die Reise der Digitalisierung?
Ich sehe die Möglichkeit, dass die Maschinen über Algorithmen der Instandhaltung bessere oder zielgenauere Lösungsvorschläge unterbreiten können. So weiß man, dass an den richtigen Themen gearbeitet wird. Außerdem sehe ich diese Möglichkeit auch im Materialfluss an sich. Bei den Rüstaufwänden von kleinen Serienfertigungen stellt sich beispielsweise die Frage, wie ich die Aufträge einplanen muss, um optimal fertigen zu können. Hier kann ich ganz viel mit KI unterstützen, sodass die Abläufe so smooth wie möglich durch die Produktion kommen.
Vernetzen Sie sich gerne mit Bernd Hausler auf LinkedIn
Bernd Hausler und Tobias Herwig freuen sich über Feedback zur Episode über LinkedIn oder an podcast(at)fabrikderzukunft.com