Eltern haften für Ihre KI

Georg Willem Büchler

Georg Willem Büchler studierte Jura und Wirtschaftswissenschaften in Bayreuth. Er ist Partner der Kanzlei Schlatter und berät als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Bauunternehmen und Bauträger sowie Architekten und Ingenieure in allen Rechtsfragen rund um die Immobilie. Die Beratung von Bauherren und das gewerbliche Mietrecht bilden weitere Beratungsschwerpunkte. Als „digital native“ ist er regelmäßig auch im IT-Recht tätig.

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Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Georg Willem Büchler über Künstliche Intelligenz als verlässlicher Kollege, uneitler Urheber und Schuldiger im Sinne künftiger Anklagen.

Künstliche Intelligenz („KI“) hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und findet sich heute in vielen Bereichen des Alltags wieder. Von der Sprachsteuerung in Smart Homes bis hin zu selbstfahrenden Autos: KI ist allgegenwärtig und hat das Potenzial, unser Leben in vielerlei Hinsicht zu verbessern.

Mit der wachsenden Verbreitung und Anwendung von KI ergeben sich immer mehr rechtliche Fragestellungen. Um die Zukunft von KI positiv zu gestalten, wird es wichtig sein, dass Regulierungen und Gesetze entwickelt werden, die sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen von KI adressieren.

Haftungsrechtliche Verantwortlichkeit

Eines der wichtigsten Themen im Zusammenhang mit KI ist die haftungsrechtliche Verantwortung für Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen werden. Um sicherzustellen, dass KI-Systeme in Einklang mit ethischen und moralischen Werten handeln und die Verantwortung für ihre Entscheidungen klar geregelt ist, fordern Experten die Einführung von ”KI-Souveränität”.

Aber was ist, wenn KI trotzdem Schäden verursacht? Wer sollte dann für diese Schäden haftbar gemacht werden? Sollte die Verantwortung beim Hersteller oder Lieferanten der KI liegen? Oder beim Betreiber der KI, der dafür verantwortlich ist, sie zu überwachen und zu verwalten? Oder beim Nutzer, der dafür verantwortlich ist, die KI richtig zu nutzen und ihre Entscheidungen zu überprüfen? Oder sollten alle Parteien gemeinsam haftbar gemacht werden? Sollte es spezielle Regulierungen geben, um die Verantwortung für Schäden durch KI-Systeme festzulegen?

Haben Sie es gemerkt?

An dieser Stelle ein harter Schnitt. Den wenigsten dürfte aufgefallen sein, dass die vier vorangegangenen Absätze nicht aus der „Feder“ des Autors stammen. Sie wurden durch den Chatbot „ChatGPT“ erzeugt. Mit der kurzen Anweisung „Schreibe mir eine Einleitung zum Thema KI und Recht!“, ergänzt durch wenige weitere Eingaben wie „Beziehe den ersten Absatz mehr auf die Bedeutung von KI im Alltag!“ und „Füge sinnvolle Absätze ein!“ war binnen kürzester Zeit ein brauchbarer Text generiert – bereit zum Kopieren und Einfügen.
Allein diese Tatsache zeigt eindrucksvoll, wie weit die KI schon heute entwickelt ist und wie sie uns bei vielen – selbst komplexen – Aufgaben helfen oder sie uns ganz abnehmen kann.

Dies vorangestellt, soll der Beitrag nun aber den angekündigten Ausblick auf einige der drängendsten rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Einsatz der KI geben. Der Autor tut dies nun auch selbst und bedient sich keiner KI mehr – versprochen!

Datenschutzrecht

Eine KI ist darauf angewiesen, große Mengen an Daten zu verarbeiten, um überhaupt funktionieren zu können, und trifft qualitativ hochwertigere Entscheidungen, je mehr Daten ihr zur Verfügung stehen. Hierzu scheint die Zielsetzung des geltenden Datenschutzrechts, die Verarbeitung personenbezogener Daten auf ein Minimum zu begrenzen, in Widerspruch zu stehen. Adressaten zentraler Datenschutzregelungen wie der DSGVO sind zudem menschliche Verantwortliche.

Über allen datenschutzrechtlichen Einzelfragen schwebt somit die Frage, ob unser geltendes Datenschutzrecht, das seinen Ursprung noch im prädigitalen Zeitalter hat, überhaupt dazu geeignet ist, den Einsatz von KI und den Schutz personenbezogener Daten auszutarieren.

KI und Arbeitsrecht

Auch auf verschiedenen Ebenen der Arbeitswelt wirft der Einsatz von KI juristische Fragen auf.

Ist eine Tätigkeit noch durch einen Arbeitgeber fremdbestimmt, wenn seine Bestimmung sich auf den Entschluss zum Einsatz von KI beschränkt, die dann ihrerseits selbstständig Anweisungen erteilt? Nur wer diese Frage bejaht, kann den Anweisungsempfänger als Arbeitnehmer ansehen und ihm grundlegende Arbeitnehmerrechte wie Urlaub oder Entgeltfortzahlung bei Krankheit zuerkennen.

Welche Auswirkungen hat es, dass die Anwendung von KI typischerweise darauf abzielt, in großen Informationsmengen Muster zu erkennen, um z. B. Bewerber hiernach zu klassifizieren? Passen die Wertungen unseres aktuellen Antidiskriminierungsrechts, das mit Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen rückwärtsgewandt ist? Oder müssen neue, stärker auf Prävention ausgerichtete Regelungen geschaffen werden?

Braucht es eine stärkere betriebliche Mitbestimmung beim Einsatz von KI, um den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer abzusichern, wenn selbst der Arbeitgeber die Entscheidungen der von ihm eingesetzten KI nicht mehr vollständig nachvollziehen kann?

KI als Urheber

Bei einem mittels KI erzeugten Arbeitsergebnis spielen gleich mehrere Dimensionen des Urheberrechts eine Rolle.

Der Schutz durch das Urheberrechtsgesetz setzt voraus, dass eine „persönliche geistige Schöpfung“ vorliegt. Damit ist die Frage nach dem Schutz der KI vergleichsweise einfach zu beantworten, denn das Programmieren der KI ist als „persönliche geistige Schöpfung“ zu qualifizieren.

Komplizierter wird es im Hinblick auf die Arbeitsweise einer KI. Ein Textgenerator bedient sich regelmäßig des sogenannten Webscrapings. Hierbei werden im Internet öffentlich zugängliche Drittinformationen durch die KI selbst fortlaufend zwecks späterer Nutzung gesammelt, analysiert und verarbeitet. Welche Konsequenzen hat es aber, wenn die erlangten Inhalte ihrerseits urheberrechtlichem Schutz unterstehen?

Von ebenso großer Bedeutung ist die Frage, ob die mittels KI generierten Werke selbst urheberrechtlich geschützt sind. Wer darf sie wirtschaftlich verwerten? Parallel zur Haftung für KI-Entscheidungen kommen hier viele Antworten in Betracht.

Presserecht

Komplikationen ergeben sich auch, wenn KI im Kontext journalistischer Publikationen genutzt wird. Wer stellt sicher, dass die gesetzlich normierten Sorgfaltspflichten der Presse beachtet werden und wer steht für ihr Nichteinhalten ein? Was geschieht, wenn die KI beispielsweise fake news nicht als solche erkennt? Genügt eine simple Kennzeichnungspflicht beim Einsatz von KI? Jedenfalls dort, wo Interessen Dritter – etwa in Gestalt ihrer Persönlichkeitsrechte – betroffen sind, dürfte letztere Frage zu verneinen sein.

KI in Planungsprozessen

Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die KI auch im Rahmen komplexer Planungsprozesse regelmäßig zum Einsatz kommt. Zu reizvoll ist die Aussicht, planerische Entscheidungen auf Grundlage einer schier allumfassenden Datenlage treffen und Eventualitäten durch automatisierte Prognosen abzusichern zu können. Spätestens aber, wenn menschliche Entscheidungen auf einer falschen KI-Annahme getroffen werden und hierdurch finanzielle Nachteile entstehen, wird das juristische Hauen und Stechen beginnen. Ob und in welchem Umfang ein Planer künftig rechtlich dazu verpflichtet sein wird, die korrekte Anwendung der KI sicherzustellen beziehungsweise diese (ggf. durch Einsatz einer alternativen KI) zu überwachen, ist ebenso offen wie die Frage, ob sich Planer in Zukunft gegen KI-Risiken absichern müssen, zum Beispiel durch Abschluss einer KI-Haftpflichtversicherung.

Juristische Spielregeln durch Regulierung

Es bleibt abzuwarten, inwiefern die politischen Entscheidungsträger nun zunächst das regulatorische Spielfeld abstecken. Derzeit diskutiert der EU-Rat über die Inhalte des zukünftigen „Gesetzes über künstliche Intelligenz“ (AI-Act). Hier wird es darauf ankommen, ein verlässliches Gleichgewicht zwischen Innovation und dem Schutz der betroffenen Grundrechte herzustellen.

KI kann auch Kunst: Diese Motive generierte das Online-Grafikdesign-Tool Canva anhand der Stichworte „Die Fabrik des nächsten Jahrhunderts“ – einmal als Concept Art, als Foto, als 3D-Art, als Zeichnung und als Gemälde.

KI Concept Art ×

KI Foto ×

KI 3D Art ×

KI Zeichnung ×

KI Gemälde ×

Fazit

Der vorliegende Beitrag wirft nur einen winzigen Blick auf das juristische Spannungsfeld, das wir mit dem Siegeszug der KI betreten. Die KI wird unsere (Arbeits-)Welt nachhaltig verändern und dabei auch unser Rechtssystem auf den Prüfstand stellen. In welchem Umfang die Wertungen, die unsere Rechtsordnung – teilweise in jahrhundertelanger Tradition – getroffen hat, durch das Aufkommen von KI neu zu verhandeln sein werden, wird noch viele Jahre für Diskussionen sorgen.

Fest steht derzeit nur eins. Wir befinden uns heute am Anfang einer aufregenden KI Reise. Wohin uns diese binnen kürzester Zeit führen wird, können wir uns angesichts der rasanten Entwicklung aber alle nur schwerlich ausmalen.