Die Standortbewertungskriterien einer Welt im Wandel

Manche Dinge ändern sich nie. Der Himmel ist blau, das Wasser ist nass, die Marktwirtschaft setzt einen freien Markt voraus und das Marktgleichgewicht wird am Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage gebildet. Außerdem gilt am Markt, dass Hersteller auf gewisse Kriterien achten, wenn es um potenzielle neue Produktionsstandorte geht. Bedeutsam sind beispielsweise Faktoren wie logistische Nähe, lokale und staatliche Anreizsysteme oder die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Zahlreiche weitere Aspekte ergeben sich aus der individuellen Ausrichtung des jeweiligen Unternehmens. So liegt etwa der Fokus von energieintensiven Industriezweigen, zu denen beispielsweise die Pharma-, Chemie-, Glas-, Metall- oder die Baubranche zählen, auf deren erheblichen Energiebedarf.

Weiterhin gilt jedoch: Nichts ist so beständig wie Veränderung. Beziehungsweise, wie es am Markt heißt: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Um bei den energieintensiven Industriezweigen zu bleiben: Mit der steigenden Nachfrage nach erneuerbaren Energien verlieren die früheren Gewinner unter den ausländischen Investoren zunehmend an Boden – insbesondere in den Niedriglohnländern Ost- und Mitteleuropas, in denen erneuerbare Energien keinen nennenswerten Industriezweig ausmachen. Polen bildet hier jedoch eine Ausnahme. In den Standortbewertungskriterien westeuropäischer Kunden erscheint das Land im Gegenteil sogar ziemlich attraktiv. Aufgrund vergleichsweise niedriger Investitionssummen, der Verfügbarkeit von Wind- und Solarenergie sowie seiner regionalen Verortung an der Grenze zu Deutschland. 

Wer investiert, profitiert ×

Neben Westeuropa befinden sich Länder mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien traditionell in Nordafrika und Nordamerika. Wer dort in nachhaltige Technologien investiert, profitiert beispielsweise von den stabilen Preisen der erneuerbaren Energien. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen, deren Preise in der Regel Schwankungen unterliegen, ermöglichen sie präzise Kalkulationen. Daneben ist individuell zu bewerten. Wo befinden sich lokale Kompetenzzentren? Gibt es Zugang zu sauberer Energie? Wie resilient ist die Volkswirtschaft? Welche Unternehmensregulierungen sind zu beachten? Wie steht es um Transparenz? Welche Subventionen werden getätigt? Fragen wie diese bilden die Grundlage strategischer Konzepte. 

So zeichnet sich in den USA gerade eine Revolution ab: 2022 wurde der Inflation Reduction Act (IRA) verabschiedet. Er ist die bedeutendste Bundesinvestition in der US-Geschichte zur Bekämpfung des Klimawandels. Parallel befeuert der Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) die Volkswirtschaft – mit einmaligen Investitionen in Höhe von 1,2 Billionen Dollar. Eine wahrhaft immense Zahl! Sie entspricht in etwa einem Viertel des deutschen Bruttoinlandsprodukts. 

Mit den beiden Gesetzen hat der US-Kongress ein Unterstützungspaket von beispielloser Größe geschnürt. Sie gelten als enorme Multiplikatoren für private Investitionen in saubere Energie. Der IRA fördert beispielsweise Solarenergie, Windkraftanlagen, grünen und blauen Wasserstoff, Biodiesel, Wärmepumpen, E-Mobilität und Batteriespeicher. Der IIJA wiederum zielt unter anderem auf eine nachhaltige Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur ab – inklusive der Ausweitung des E-Ladesäulennetzes.

Längerfristig profitieren ×

Können die energieintensiven Industriezweige nun jubeln? Hoffentlich – auch und gerade in Zeiten erklärter Nachhaltigkeitsziele. Doch Hoffnung allein macht keine gute Prognose. Eine effiziente Standortbewertung benötigt detaillierte Kenntnisse lokaler Marktanforderungen, individuelle Problemanalysen, ein Gespür für umsetzbare Lösungen – und sehr viel mehr. Für energieintensive Industriezweige gilt daher wie für alle anderen: Wer Wachstumschancen ergreifen und längerfristig von ihnen profitieren möchte, braucht maßgeschneiderte Entwicklungskonzepte.

Anna Ahlborn

Anna Ahlborn ist Partnerin der EAC – International Consulting, einer weltweit tätigen Unternehmensberatung für Internationalisierungsstrategien in Wachstumsmärkten rund um den Globus. Seit 2010 berät sie international agierende Klienten zu strategischen Themen mit Fokus auf Osteuropa und den amerikanischen Kontinent. Ihr Industriefokus liegt vor allem auf den Sektoren Mobility, Baubranche und Infrastruktur. Sie hat einen Masterabschluss in Volkswirtschaft, Politikwissenschaft und Rechtswissenschaft von der LMU München.

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